Cannabis gegen ADHS: Was sagt die Forschung?
- Die herkömmlichen Behandlungsmethoden für ADHS umfassen Medikamente und Verhaltenstherapie.
- Cannabis wird zunehmend als alternative Behandlungsoption für ADHS diskutiert, mit gemischten Forschungsergebnissen.
- Während einige Studien positive Effekte aufzeigen, ist die Notwendigkeit weiterer Forschung ein klarer Konsens.
- Trotz der Legalisierung von Cannabis in Deutschland wird zur Vorsicht und ärztlicher Beratung geraten, insbesondere wegen des Risikos der Selbstmedikation.
Wie wird ADHS üblicherweise behandelt?
Rund 4 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland leiden laut Statistik an ADHS: Die Krankheit wird üblicherweise durch eine Kombination aus Medikamenten, Verhaltenstherapie und gegebenenfalls Anpassungen im Lebensstil behandelt.
- Medikamentöse Therapien umfassen in der Regel Stimulanzien, wie Methylphenidat und Amphetamine, die helfen, die Konzentration zu verbessern und impulsives Verhalten zu reduzieren.
- Nicht-stimulierende Medikamente, wie Atomoxetin, sind ebenfalls verfügbar und können für Patienten geeignet sein, bei denen Stimulanzien nicht wirksam sind oder unerwünschte Nebenwirkungen verursachen.
- Verhaltenstherapie und Coaching können Betroffenen Strategien an die Hand geben, um mit den Symptomen des ADHS umzugehen, ihre Organisation und Planungsfähigkeiten zu verbessern und soziale Interaktionen zu erleichtern.
Die nachstehende Tabelle verschafft einen Überblick zu den gängigsten Behandlungsoptionen:
Behandlungsoption | Beispiele | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|
Stimulanzien | Medikamente wie Methylphenidat und Amphetamine | Verbesserung von Aufmerksamkeit und Konzentration | Potenziell gravierende Nebenwirkungen wie Schlafprobleme, Appetitverlust |
Nicht-stimulierende Medikamente | Atomoxetin | Alternative für Patienten, bei denen Stimulanzien nicht wirksam sind | Potenziell gravierende Nebenwirkungen wie Übelkeit, Müdigkeit |
Verhaltenstherapie | Training zur Verbesserung von Organisations- und Sozialfähigkeiten | Langfristige Strategien zur Bewältigung von ADHS | Erfordert regelmäßige Sitzungen |
Lebensstiländerungen | Ernährungsumstellung, regelmäßige Bewegung | Unterstützung der allgemeinen Gesundheit | Keine direkte Wirkung auf ADHS-Symptome |
Achtung
Die Legalisierung von Cannabis in Deutschland am 1. April 2024 könnte zwar den Zugang erleichtern, es wird jedoch dringend empfohlen, vor einer Selbstmedikation ärztlichen Rat einzuholen. Unabhängig von der Legalisierung oder Verschreibung bleiben die Risiken dieselben.
Wie wirksam ist die ADHS-Therapie mit Cannabis?
Cannabis als Therapie bei psychiatrischen Zuständen ist ein heiß diskutiertes Thema. Allgemeinmediziner Kurt Blaas nahm hierzu in einem Interview wie folgt Stellung: “Außer der Schmerzmedizin, der Behandlung von neurologischen Erkrankungen, wie zum Beispiel dem Tourette-Syndrom, Parkinson Erkrankung oder Multiple Sklerose gibt es auch noch andere Diagnosen aus dem psychiatrischen Bereich.” so Balas. “Hier kommt Cannabis bei der Behandlung von Depressionen, ADHS, PTBS, aber auch neuerdings bei Schizophrenie und komplexen psychischen Störungen wie Angst und Paniksyndromen zum Einsatz.”
Die Debatte um Cannabis als mögliche Behandlung für ADHS hält an, getrieben durch Berichte von Betroffenen, die eine Linderung ihrer Symptome durch Selbstmedikation erfahren. Trotz vielversprechender Anekdoten steht die Wissenschaft erst am Anfang, diese Zusammenhänge umfassend zu erforschen und zu verstehen.
Gut zu wissen
Neben THC und CBD erforschen Wissenschaftler auch andere Cannabinoide wie CBG (Cannabigerol) und CBN (Cannabinol) für ihre potenziellen therapeutischen Eigenschaften. Diese weniger bekannten Cannabinoide könnten andere Wirkungsprofile haben und somit alternative Optionen für die Behandlung darstellen.
EMA-C-Studie
Die sogenannte EMA-C-Studie untersuchte die Effekte von Sativex, einem cannabinoid-basierten Medikament, auf Erwachsene mit ADHS. Obwohl keine signifikanten Unterschiede in der kognitiven Leistung oder Aktivitätsniveau zwischen der Aktiv- und der Placebogruppe festgestellt wurden, zeigte die Aktivgruppe in einigen sekundären Ergebnissen, wie Hyperaktivität/Impulsivität leichte Verbesserungen. Trotz dieser vorläufig positiven Anzeichen erreichten die Ergebnisse keine statistische Signifikanz nach der Anpassung.
Die Studie hebt hervor, dass Erwachsene mit ADHS eine Untergruppe darstellen könnten, die von Cannabinoiden profitiert, fordert jedoch weitere Forschung, um diese Ergebnisse zu untermauern.
Fallbericht
Ein Fallbericht zur Cannabis-Behandlung bei ADHS beschreibt die positiven Erfahrungen von drei Männern mit ADHS, die Cannabis in ihre Behandlungsregime integriert haben. Die subjektiven Berichte über verbesserte Symptome und Lebensqualität werden durch Verbesserungen in validierten Skalen bestätigt, die nach der Cannabisnutzung erhoben wurden. Trotz dieser ermutigenden individuellen Berichte macht die Studie deutlich, dass klinische Versuche notwendig sind, um die Effektivität und Sicherheit von Cannabis als Behandlung für ADHS zu verifizieren.
Übersichtsarbeit
Eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit zur Cannabisnutzung bei ADHS liefert einen Überblick über die Beziehung zwischen Cannabisgebrauch und ADHS-Symptomen, basierend auf einer Auswahl von 20 Publikationen. Obwohl die Arbeit einige Vorteile von Cannabis für Personen mit ADHS identifiziert, wie etwa eine potenzielle Minderung der Symptome und eine Verbesserung bei exekutiven Funktionen, betont sie die dringende Notwendigkeit weiterführender Forschung. Der Review unterstreicht die Bedeutung eines besseren Verständnisses der Risiken und Vorteile des Cannabisgebrauchs bei ADHS, sowohl für Patienten als auch für medizinische Fachkräfte.
Hinweis
Den gemeinsamen Nenner dieser 3 Studienergebnisse haben Sie sicher erkannt: Es besteht noch sehr viel Forschungsbedarf auf diesem Gebiet. Stützen Sie sich bei Ihrer Entscheidung nicht auf einzelne Fallstudien oder Erfahrungen aus dem Internet, sondern lassen Sie sich von einem qualifizierten ADHS-Spezialisten beraten.
Bedenken und Risiken
Obwohl Cannabis in einigen Fällen positive Auswirkungen auf ADHS-Symptome zeigen kann, ist es wichtig, die potenziellen Risiken und Nebenwirkungen zu beachten. Dazu gehören kurzfristige Gedächtnisprobleme, Mundtrockenheit und Schläfrigkeit.
Prof. Dr. med. Michael Schäfer, Anästhesist und Schmerztherapeut an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, hebt in einem Interview ein zentrales Problem im Zusammenhang mit der Umsetzung des Cannabis-Gesetzes hervor. Das größte Problem bei der Umsetzung des Cannabis-Gesetzes sei: “...die völlig unzureichende Evidenzlage im Hinblick auf vier Dinge: Hinsichtlich der Erkrankungen, die sich tatsächlich von Cannabinoiden beeinflussen lassen; im Hinblick auf die tatsächliche Wirksamkeit im Vergleich zu bisherigen Medikamenten; in Bezug auf die Nebenwirkungen nach akuter aber eher noch nach chronischer Einnahme und auch bezüglich der Identifizierung von Kontraindikationen oder Risikogruppen, die tatsächlich Schaden erleiden können.“
Zudem besteht die Gefahr der Entwicklung einer Cannabisabhängigkeit. Das ist besonders besorgniserregend, wenn man berücksichtigt, dass ADHS-betroffene Personen ohnehin schon ein erhöhtes Suchtrisiko haben.
Gut zu wissen
Es gibt es auch Hinweise darauf, dass langfristiger und intensiver Cannabisgebrauch kognitive Funktionen, wie das Gedächtnis beeinträchtigen kann.
Fazit
Während die Forschung zu Cannabis und ADHS noch in den Kinderschuhen steckt, öffnen sich neue Perspektiven für Betroffene, die auf herkömmliche Behandlungen nicht ansprechen. Derzeit kann Cannabis, basierend auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft, nicht als kompletter Ersatz für konventionelle Therapieformen angesehen werden. Jeder Versuch, eine Therapie mit Cannabis zu beginnen, sollte gründlich mit dem behandelnden Psychiater diskutiert werden.
Die Zusammenarbeit mit Fachleuten gewährleistet auch, dass die Behandlung in einem sicheren und kontrollierten Rahmen stattfindet, was für den Erfolg und das Wohlbefinden des Patienten von größter Bedeutung ist.
FAQ
Was beruhigt bei ADHS?
Betroffene sprechen auf unterschiedliche Maßnahmen an, doch als allgemeine Empfehlung gilt: Strukturierte Tagesabläufe, regelmäßige körperliche Betätigung, Entspannungstechniken, ausreichend Schlaf, und eine ausgewogene Ernährung können beruhigend wirken und helfen, die Symptome von ADHS zu managen.
Welches ist das beste Medikament gegen ADHS?
Das perfekte ADHS-Medikament gibt es nicht. Stimulanzien wie Methylphenidat und Amphetamine sind am häufigsten verschrieben und werden als wirksam erachtet. Leider haben auch sie Ihre Schattenseiten, wie ein bereits Spektrum an potenzieller Nebenwirkungen.
Wie kann ich ADHS ohne Medikamente behandeln?
Neben den bereits genannten Strategien können Verhaltenstherapie, Coaching zur Verbesserung von Organisationsfähigkeiten, Zeitmanagement, und sozialen Fähigkeiten, sowie Anpassungen im Lebens- und Arbeitsumfeld helfen, ADHS-Symptome ohne Medikamente zu behandeln. Sie sollten jedoch niemals ohne Absprache mit Ihrem Arzt Ihre Medikamente absetzen!